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Läuferleiden II: Schmerzfrei dank Einlagen und Kräftigung

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Wer kennt das nicht: Nach einem langen Lauf schmerzen die Füße, man möchte sie am liebsten nur noch in Watte legen. Aber warum melden sich die Füße und schreien nach Aufmerksamkeit? Liegt es daran, dass wir unsere Füße im Schuh zu stark einengen und diese überlastet werden? Oder haben wir es mit einer Fehlstellung der Füße zu tun? Bei Fußbeschwerden können Sporteinlagen die Probleme lindern. Doch nur ein ganzheitliches Programm aus Einlagenversorgung, Dehnung und Kräftigung hilft, Schmerzen langfristig zu vermeiden.

Vor einigen Monaten beschäftigten wir uns im Artikel Läuferleiden mit häufigen Läuferverletzungen und deren Ursachen. Im Folgeartikel greift Frank Wagner einige Fragen auf, die nach dem ersten Artikel entstanden sind und gibt Tipps, wie man die Ursachen langwieriger Beschwerden beseitigt.

Einlagen können helfen

Bei Fehlstellungen und Überlastungen können individuelle Einlagen helfen. Sie haben die Aufgabe den Fuß zu stützen, zu betten und seine Stellung zu korrigieren. Die Einlage dient also einem medizinischen Zweck: Sie soll ein bestimmtes Problem lindern oder lösen.

Um zu sehen, was für eine Einlage gefertigt werden muss, ist es wichtig zu wissen, welche Fehlstellung vorliegt. Neben dem Senk-Spreizfuß können Senkfuß, Hohlfuß, Spreizfuß, Knickfuß, Plattfuß oder eine Kombination dieser Fehlstellungen vorhanden sein.

Diese Veränderungen sind zum einen durch die Evolution, aber vor allem durch viele Fehlhaltungen initiiert. Ferner ist zu beachten, dass eventuell ein weiteres Problem oberhalb der Fußsohle liegt. Zum Beispiel können die Fehlstellungen durch Schwierigkeiten im unteren oder oberen Sprunggelenk, im Unterschenkel oder Knie angeregt werden.

Die richtigen Einlagen finden

Sensomotorische Einlage

Eine gründliche Analyse ist wichtig, um die passenden Einlagen für ein bestimmtes Problem zu ermitteln. Hierzu kann neben den händischen Maßnahmen wie Abtasten, Palpieren, Trittschaum oder Gipsmodellerstellung und Funktionsprüfung auch moderne Technik eingesetzt werden. Üblich sind heute die elektronische Fußdruckmessung (Pedografie), der Fußscan, die Bewegungsanalyse und sicherlich künftig auch der Rückenscan. Alle diese Maßnahmen sollen helfen, möglichst detaillierte Daten über den Fuß zu erhalten.

Mit den gewonnenen Daten lassen sich entsprechende Einlagen fertigen. Die Fertigung sollte einem vorgegebenen Fertigungsweg folgen, der detailliert in einem Formblatt beschrieben werden sollte. Mit dieser Beschreibung können so später schneller neue Einlagen gefertigt werden.

Die Grundmaterialien für Einlagen sind heute thermoplastische Kunststoffe, Carbon, Kork und Schaumstoffe wie EVA (Ethylenvinylacetat) und PU (Polyurethan) oder einer Kombination dieser Materialien. Die Einlage kann als Korrektureinlage (Herstellung eines ursprünglichen oder gewünschten Zustandes) gefertigt werden oder als Kopieeinlage, Weichschaumeinlage, Schaleneinlage (Entlastung, gleichmäßige Druckverteilung, Vermeidung von Druckspitzen, stabiler Rückfußführung).

Eine weitere besondere Form sind die propriozeptiven (sensomotorischen) Einlagen, die durch gezieltes Setzen von Reizen an der Fußsohle eine Reaktion der kurzen und langen Fußmuskulatur erreichen sollen. Für die genannten Arten von Einlagen gibt es verschiedene Zusatzelemente, wie zum Beispiel Supinationskeile, Cuboidstützen, vordere Außenranderhöhungen, Fersenspornpolster und viele mehr.

Welche Einlagen gibt es?

  • Korrigierende Einlagen
    • Verformung des Fußes durch gezielte Druckpunkte
    • Druckkräfte nehmen Einfluss auf das Wachstum
    • Anwendung bei Fußformfehlern beim noch wachsenden Fuß im Sinne der Redression
  • Stützende Einlage
    • Lastübernahme und Gewölbeaufrichtung
    • der belastungsschwache Fuß wird gestützt
    • keine Bettung druckschmerzhafter Areale
    • keine knöcherne Formveränderung im Sinne der korrekten aktiven Muskeltätigkeit soll nach Möglichkeit zugelassen werden
  • Bettende Einlagen
    • Weichpolsterung (z.T. mit Aussparung besonders belasteter Stellen)
    • Verteilung der Belastung auf eine größere Auflagefläche
    • keine Gewölbeaufrichtung
  • Sandwicheinlagen
    • Kombination aus stützender und bettender Einlage im Sinne der Resorbierung von Druckmaxima sowie der Druckumverteilung
    • tragfähige Fußareale werden im Sinne der Lastübernahme gestützt
    • nicht belastungsfähige entlastet
  • Propriozeptive Einlage
    • Propriozeption = Eigenwahrnehmung
    • Wahrnehmung des eigenen Körpers hinsichtlich Lage und Stellung, Bewegung und Kraftentwicklung
    • Sensoren zur Wahrnehmung im Gelenkbereich (Sehnen, Bänder, Kapsel) vermitteln Reize über affernte Nerven
    • mittels Eigenreflex erfolgt über motorische Fasern ein Reiz zur Dehnung oder Kontraktion
    • Einlage zur Stimulation von Nerven zur Steigerung der Muskeltätigkeit
    • präventiver Charakter zur Vermeidung einer Krankheitsprogression und einsetzbar als Korrekturhilfe

Fallbeispiel I: Wenn Knie und Schienbein schmerzen

Ein Mann, 35 Jahre, hat nach längerem Laufen starke Beschwerden an der Schienbeinkante und außen am Kniegelenk. Durch eine Fußdruckmessung wird bei ihm ein Knick-Senk-Fuß mit stark erhöhten Druckwerten am Mittelfußköpfchen V (Ballenbereich außen) festgestellt.

Bei der Bewegungsanalyse zeigt sich in der Auftritts- und Standphase eine starke Pronation im unteren Sprunggelenk und eine X-Beinstellung im Kniegelenk. In der Abstoßphase ist am Ende eine Vorfußsupination zu sehen.

Woher kommen die Schmerzen?

Durch den Knick-Senk-Fuß kommt es zu einer Innendrehung im Unterschenkel und damit verbunden zu einer X-Beinstellung. Die damit verbundenen Schmerzen können am Unterschenkel eine Reizung am vorderen Schienbeinmuskel auslösen. Im Knie kommt es dabei zu einer Kompression am Außenmeniskus, der den Schmerz auslöst. Die erhöhten Druckwerte am Mittelfußköpfchen V stehen im Zusammenhang mit der Vorfußsupination (Abrollung über den kleinen Zehen) in der Abstoßphase.

Welche Einlage ist nötig und wie wirkt sie?

In diesem Fall ist es sinnvoll, eine langsohlige Kunststoff-Schaleneinlage mit Supinationskeil und vorderer Außenranderhöhung zu fertigen. Durch die Schaleneinlage bekommt der Rückfuß eine stabile aufrichtende Führung. Der Supinationskeil korrigiert die Pronation im Auftritt und wirkt so der Richtung des Knickfußes und der damit verbundenen Unterschenkelrotation entgegen. In der Abstoßphase bewirkt die vordere Außenranderhöhung eine Korrektur der Supination und hilft hierdurch, den Abrollvorgang über den I. bzw. II. Zehen zu beenden. Nach diesen Maßnahmen kommt es in der Regel zu einer schnellen Linderung oder Lösung der Probleme.

Den Problemen auf den Grund gehen

Nicht nur die individuelle Fertigung von Einlagen ist wichtig, sondern auch die getragenen Laufschuhe. Bei Auffälligkeiten sind sie gegebenenfalls durch neue Schuhe zu ersetzen. Auch auf den Körperbau, die Muskulatur sowie die Bänder und Sehnen muss geachtet werden. Gerade bei der Muskulatur und den Sehnen gibt es oft Dysbalancen, die durch Kräftigung oder Dehnung behoben werden müssen.

Für eine ganzheitliche Problemlösung reichen also Einlagen allein nicht aus. Es sollten auch aktive Maßnahmen in Betracht gezogen werden, wie zum Beispiel physiotherapeutische Behandlungen und Fußgymnastik. Alternativ kann man auch regelmäßig auf natürlichen Böden wie Sand oder Rasen barfuß laufen.

Fallbeispiel II: Wenn der Rücken schmerzt

Abbildungen 1 und 2

Herr Bickel hatte lange Zeit erhebliche Rückenschmerzen. Auf Empfehlung seines Arztes ging er zur Bewegungsanalyse bei einem Fußspezialisten. Dort wurde ein deutliches dynamisches Trendelburgzeichen entdeckt, also ein Abkippen der Hüfte zur Schwungbeinseite (Abb. 1). Außerdem konnte eine dynamische Valgusstellung, das heißt eine X-Bein-Stellung festgestellt werden.

Die X-Beine führen zu einer leichten Überpronation im unteren Sprunggelenk – also zu einer verstärkten Einwärtsdrehung der Füße.

Um das Abkippen der Hüfte zu verhindern, bekam Herr Bickel einen individuellen Trainingsplan mit Übungen zur Kräftigung, Dehnung und Koordination. Damit sollte die hüftstabilisierende Muskulatur, vor allem die Gesäßmuskulatur und die Abduktoren gekräftigt werden (Abb. 2).

Der Fit-Mach-Plan

Herr Bickel besorgte sich ein MFT-Balancebrett sowie ein Theraband. Zusätzlich erhielt er Sporteinlagen zur Stabilisierung der Beinachse und zur Korrektur der Überpronation. Täglich absolvierte er Koordinationsübungen auf dem Balancebrett sowie Kräftigungs- und Strechingübungen, die ihm der Trainingsplan vorschrieb. Nach jeder Laufbelastung behandelte er seinen Gesäßmuskel und seine Abduktoren mit Wärme, um die Durchblutung zu fördern und somit die Erholung zu beschleunigen.

Das Trainingsprogramm

Abbildungen 3 und 4

MFT-Balancebrett: Einbeinstand auf dem Balancebrett; möglichst lange versuchen, das Gleichgewicht zu halten. Danach das Bein wechseln. Die Pausen zwischen den einzelnen Übungen sind sehr wichtig und sollten nicht kurz sein (Abb. 3, 4).

Abbildungen 5 und 6

Theraband: Das Theraband wird an einem festen Gegenstand befestigt und das Schwungbein nach außen abgespreizt. Diese Übung dient der Kräftigung der Abduktoren. Das sind die Muskeln, die ein Gliedmaß strecken oder abspreizen (Abb. 5, 6).

Abbildung 7

Kräftigung Abduktoren: In seitlich-gestreckt liegender Position wird das untere (liegende) Bein leicht angewinkelt. Das obere Bein wird abgehoben und gesenkt (ohne es dabei auf den Boden abzulassen) und sollte immer möglichst weit nach hinten gestreckt sein, ohne das man dabei ins Hohlkreuz verfällt. Die Fußspitzen anziehen (Abb. 7).

Kräftigung Gesäßmuskel: Bei dieser Übung wird das Becken so angehoben, dass Bauch, Becken und Oberschenkel eine Linie bilden. Bei der dynamischen Ausführung dieser Übung wird das Becken immer wieder leicht abgekippt und wieder angehoben. Trainiert wird hierbei der Gesäßmuskel (M. gluteus Abb. 8, 9).

Abbildung 8

Abbildung 9

Der Erfolg

Das tägliche Übungsprogramm über Monate hinweg trug Früchte. Die Schmerzen ließen nach und Herr Bickel fühlte sich deutlich wohler und belastbarer. Die Ergebnisse der Nachkontrolle zeigten, dass das Trendelburgzeichen kaum noch erkennbar war. Was für ein Gewinn an Lebensqualität!

Das Beispiel von Herrn Bickel zeigt, dass man jenen muskulären Dysbalancen, Fehlstellungen und anderen Schmerzauslösern entgegenwirken kann, die in unserer Gesellschaft fast schon “normal” geworden sind. Natürlich verschwinden sie nicht von einem auf den anderen Tag. Es ist ein langwieriger Prozess, bei dem vor allem Ausdauer und Ehrgeiz des Patienten gefragt sind. Die Bewegungsanalyse ist ein guter Anfang. Dort werden die Betroffenen kompetent beraten und motiviert, selbst aktiv zu werden. Dann laufen sie vielleicht einem ganz neuen Gefühl entgegen.

Kosten für Einlagen

Bei Einlagen ist eine gesetzliche Zuzahlung von 10 Prozent des Gesamtpreises zu entrichten (max. 10 Euro). Dazu kommt eine private Aufzahlung – je nach Materialausführung oder Sonderausstattung. Die Krankenkasse bezahlt nur die Ausführung, die auf ihrem Rezept steht. Ihnen stehen maximal 2 Paar Einlagen im Jahr zu. Die Entscheidung für eine Verordnung und die Ausführung der Einlagen liegt bei ihrem behandelnden Arzt und ihrer Krankenkasse. Fußcheck und Empfehlungen bekommen Sie jederzeit bei ihrem Orthopädieschuhmacher.

Ich danke Birger Weisheit (Orthopädieschumachermeister und engagierter Läufer aus Oberschönau/Thür.) und Schorn’s Fußwelt für ihre Hilfe bei der Erstellung dieses Artikels.


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